Angst-Therapie

Es gibt viele Möglichkeiten, Angsterkrankungen zu behandeln. Nicht alle sind für jeden geeignet, nicht alle funktionieren gleich gut, nicht alle sind langfristig wirksam. Da Betroffene häufig von ihrem Arzt zunächst mit Medikamenten behandelt werden, erörtern wir zunächst einige wissenschaftliche Erkenntnisse zu diesem Thema. Da sich bei der Angtsbehandlung die von uns praktizierte Therapiemethode der kognitiven Verhaltenstherapie als besonders wirksam erwiesen hat, möchten wir auf dieses Thema näher eingehen. Abschließend wird beispielhaft das Vorgehen bei einer Angsttherapie geschildert. Da jedoch jede Therapie auf die individuellen Gegebenheiten des Patienten angepaßt wird, wird sie im Einzelfall immer mehr oder weniger davon abweichen.

Medikamente oder Psychotherapie?

Man kann bei der Behandlung von Angststörungen zwischen zwei grundlegend verschiedenen Behandlungsansätzen unterscheiden: medikamentöse und psychotherapeutische Behandlung. Dem liegen zwei unterschiedliche Erklärungsansätze zugrunde. Da wäre zum einen die biologisch-medizinische Sichtweise, die von den meisten Ärzten vertreten wird. Psychische Störungen und Probleme werden als biochemische Regulationsstörungen im Gehirn betrachtet, die demzufolge mit chemischen Substanzen (Medikamenten) reguliert werden können. Zum anderen gibt es die psychologische Sichtweise, die naturgemäß von Psychologen und mittlerweile auch von einigen Ärzten vertreten wird. Hierbei werden psychische Störungen als Fehlregulation von Emotionen, Gedanken und Verhaltensweisen angesehen, die durch Interventionen in diesen drei Bereichen (Psychotherapie) wieder korrigiert werden können. Das heißt im Fazit, Ärzte setzen in der Regel Medikamente ein, Psychologen führen Psychotherapien durch.

In den allermeisten Fällen sind Angstpatienten zunächst mit Psychopharmaka behandelt worden oder erhielten kurze ärztliche Beratungsgespräche im Rahmen der sogenannten psychosomatischen Grundversorgung. Die medikamentöse Behandlung erfolgt in der Regel mit angstdämpfenden Präparaten. Dabei kann es sich um Anxiolytika oder Tranquilizer aber auch um trizyklische Antidepressiva, SSRI oder gar niedrig potente Neuroleptika handeln. Die Medikation wird von Fachärzten (Neurologen, Psychiatern, Nervenärzten) und Allgemeinmedizinern durchgeführt.

Ein Großteil der Medikamente, die für Angsterkrankungen zugelassen sind, gehören zur Substanzklasse der Benzodiazepine, wie Valium®, Tavor®, Faustan® oder Tafil®, und weisen Gefahren der Abhängigkeitsbildung auf, die nicht zu unterschätzen sind und vom behandelnden Arzt im Einzelfall sorgfältig abgewogen werden sollten. Zudem zeigt sich das Problem, daß Therapieerfolge nach Absetzen des Medikaments nicht stabil bleiben. Die Rückfallquote beträgt in Abhängigkeit vom eingesetzten Medikament und der jeweiligen spezifischen Angststörung bis zu 80%. Die Bandbreite der Nebenwirkungen der häufig eingesetzten Benzodiazepine reicht von Benommenheit, Schwindel oder Krämpfen über sogenannte paradoxe Reaktionen (Erregungszustände, Wutanfälle, Agitiertheit) bis hin zur bereits oben erwähnten Abhängigkeit. In diesem Zusammenhang ist besonders die Gefahr der Abhängigkeit auch bei niedriger Dosierung ("low dose dependency") zu erwähnen. Ebenfalls problematisch ist die hohe Quote der Patienten, die bei ambulanter ärztlicher Behandlung die Medikamenteneinnahme aufgrund von Nebenwirkungen abbrechen. Grundsätzlich können Medikamente bei Angststörungen nur eine vorübergehende Notlösung sein, da sie die zugrundeliegenden Probleme nicht lösen, sondern lediglich die Angstsymptomatik dämpfen. Dies wird mittlerweile auch von medizinischen Fachgesellschaften anerkannt. Insofern ist man sich bei der Behandlungsempfehlung für Angststörungen ausnahmsweise einmal über Fachgrenzen hinweg einig: Die Methode der Wahl ist Psychotherapie, speziell kognitive Verhaltenstherapie.

Wirksamkeit kognitiver Verhaltenstherapie

Bei der qualifizierten psychotherapeutischen Behandlung von Angststörungen, die von psychologischen Psychotherapeuten durchgeführt wird, hat sich seit vielen Jahren die Kognitive Verhaltenstherapie durchgesetzt. Das ist nicht zuletzt ein Resultat der nachgewiesenen hohen Wirksamkeit dieser Behandlungsmethode. In der überwiegenden Mehrzahl der durchgeführten Effektivitätsstudien, in denen Medikamente mit kognitiver Verhaltenstherapie verglichen wurde, ist die kognitive Verhaltenstherapie der pharmakologischen Behandlung deutlich überlegen. Auch in direkten Vergleichsstudien mit anderen Psychotherapieformen ist die Kognitive Verhaltenstherapie die mit Abstand am besten untersuchte und wirksamste Methode. Die berichteten Erfolgsraten liegen in Studien mit Patienten mit einer Angststörung ohne Zusatzerkrankung bei bis zu 90% der behandelten Personen, wobei die Erfolge in bis zu 13jährigen Nachuntersuchengen überprüft wurden und als stabil gelten können. Diese hohen, unter Forschungsbedingungen erzielten Erfolgsraten lassen sich in der Regelversorgung meist nicht realisieren. Hier liegen die Raten erfahrungsgemäß eher bei 60-70%.

Einen weiteren überzeugenden Nachweis der breit gefächerten Wirksamkeit der Kognitiven Verhaltenstherapie erbrachte die Arbeitsgruppe um den renommierten Psychotherapieforscher Klaus Grawe in den neunziger Jahren. In einer der bisher umfangreichsten und methodisch aufwendigsten Metaanalysen zur Wirksamkeit von Psychotherapie analysierten sie 897 veröffentlichte Effektivitätsstudien, die einen Katalog von strengen wissenschaftlichen Kriterien erfüllten. Allein 62 Studien überprüften explizit kognitive Verhaltenstherapie, nahezu alle an Angstpatienten. Damit gehört die kognitive Verhaltenstherapie zu den am besten untersuchten Therapiemethoden überhaupt. Bei 90% der Behandlungsgruppen, die an einer kognitiven Verhaltenstherapie teilnahmen, zeigte sich eine signifikante Verbesserung der Symptomatik. In direkten Wirksamkeitsvergleichen mit anderen Therapieformen kommen die Autoren zu folgendem Schluß: "Die tatsächliche Ergebnislage könnte daher nicht eindeutiger sein, als sie ist: Kognitive Verhaltenstherapie ist im Durchschnitt hochsignifikant wirksamer als psychoanalytische Therapie und Gesprächspsychotherapie." (Grawe et al. 1994, S. 670)

Vorgehen bei der Angstbehandlung

In der kognitiv-verhaltenstherapeutisch basierten Angstbehandlung steht die Veränderung von problematischen Denk- und Verhaltensmustern im Vordergrund. Dabei liegt der zentrale Fokus auf der Angstbewältigung und Problemlösung im Hier und Jetzt. Die Vergangenheit spielt eine Rolle, sofern sie zur Klärung der Frage beitragen kann, wie das Angstproblem entstanden ist und warum es bis heute existieren konnte. Das Vorgehen ist eher pragmatisch, vor allem ziel- und lösungsorientiert und transparent. Patienten wissen jederzeit, was gerade in der Therapie passiert. Aus unserer Sicht ist eine kooperative Arbeitsatmosphäre „unter Experten“ am fruchtbarsten, wobei wir den Patienten als Experten für seine individuelle Angstproblematik, und den Therapeuten als Experten für die Erarbeitung von Problemlösestrategien sehen.

Nach einer gründlichen psychodiagnostischen Abklärung unter Einsatz von Diagnoseleitfäden und Fragebögen wird mit dem Patienten gemeinsam ein Funktionsmodell erarbeitet, das die Entstehung und Aufrechterhaltung der Angsterkrankung erklären kann. Das heißt, es geht darum, wie die Angst genau funktioniert und inwiefern dabei das Denken, die Körperprozesse und das Verhalten zusammenwirken. Daraus wird dann ein Therapieplan abgeleitet, der in der Regel die Bewältigung der Angst, die Überprüfung von Befürchtungen und die Verringerung des einschränkenden Vermeidungsverhaltens zum Ziel hat. Dabei ist Transparenz und Eigenverantwortung des Patienten oberstes Gebot. Der Patient ist in die Entwicklung der Therapiestrategie eingebunden und entscheidet nach einer Bedenkzeit explizit, ob er sich auf das gemeinsam erarbeitete Vorgehen letztendlich einlassen möchte. Die therapeutischen Maßnahmen werden dann zum einen gemeinsam geplant und vorbereitet, zum anderen werden die dort gesammelten Erfahrungen ausgewertet und nachbesprochen.

Bei der Umsetzung von Angstbewältigungsstrategien in realen Situationen wird der Patient bei Bedarf anfänglich vom Therapeuten unterstützt, z.B. Begleitung beim gefürchteten und bisher vermiedenen Straßenbahnfahren oder das Aufsuchen von Menschenmengen. Diese therapeutische Begleitung ist in manchen Fällen unumgänglich, damit Patienten Befürchtungen überprüfen und Fähigkeiten zur Angstbewältigung erlernen können um sie später selbstständig einzusetzen.

Wichtig für den Transfer in den Alltag des Patienten ist gegen Therapieende eine gezielte Rückfallprophylaxe sowie eine mehrwöchige Selbstkontrollphase, in der der Patient ohne therapeutische Unterstützung die Anwendung der neu erlernten Bewältigungsstrategien ausprobiert. Diese Phase liefert wichtige Erkenntisse über den bisher erreichten Therapieerfolg und läßt Aussagen darüber zu, ob der Transfer von der Therapie in den Alltag geklappt hat.

In der Regel lassen sich in einem Zeitrahmen von 25 Therapiestunden à 50 min deutliche Fortschritte bei der Angstsymptomatik erzielen. Die Ergebnisse können von einer Reduzierung der Beschwerden, die eine weitere selbstständige Angstbewältigung ermöglicht, bis zu einem Verschwinden der Symptomatik reichen. In jedem Fall setzt es jedoch die aktive Mitarbeit des Patienten voraus, einschließlich der Erledigung von therapeutischen Aufgaben zwischen den Sitzungen, wofür zusätzlich ca. 1-2 Stunden Zeit pro Woche aufgebracht werden muss.